Das Projekt
Die Webseite “Die Orte der Zwangsarbeit und Deportation in Italien während des Zweiten Weltkriegs” verfolgt das Ziel Archivmaterial und Informationen über einen wenig bekannten Aspekt der italienischen Geschichte zur Zeit der nationalsozialistischen Besetzung öffentlich zugänglich zu machen.
Während des Zweiten Weltkrieges mobilisierte NS-Deutschland circa 10 Millionen Mann für seine Streitkräfte. Der als Blitzkrieg gedachte Krieg entwickelte sich hingegen zu einem totalen Krieg, der fast sieben Jahre lang auf mehreren Fronten geführt wurde und für den die deutsche Gesellschaft sämtliche zur Verfügung stehende Mittel zum Einsatz bringen musste.
Vorallem nach den Niederlagen des Herbst-Winters 1942-43 (El Alamein und Stalingrad), befand sich die Wehrmacht stets in der Defensive und sah sich genötigt einen riesigen Befestigungsbau zu betreiben, um den gewaltigen Ressourcennachteil gegenüber seinen Feinden auszugleichen. Auf allen Fronten, von der Ostfront bis zum Atlantikwall, in Italien sowie auf den südfranzösischen Küste, setzte das Oberkommando der Wehrmacht Millionen Menschen zum Bau von Schützengraben, Panzerbarrieren, Bunker, Flughäfen, Straßen und Eisenbahnlinien ein, um die Verbindung zwischen Front und Nachschubgebiet aufrecht zu erhalten und die von Luftangriffen beschädigten Infrastrukturen zu reparieren. Außerdem musste die enorme Anzahl für den Krieg moblisierter Männer in der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion in der Heimat, sowie bei Ausbeutung der wirtschaftlichen Ressourcen in den Besatzungsgebieten ersetzt werden.
In diese Lage bestand eine der Hauptaufgaben NS-Deutschlands darin Arbeiter zu rekrutieren, um den Mangel an deutscher Arbeitskraft auszugleichen und um sich die Ressourcen der unterworfenen Nationen anzueignen. Die zur Erreichung dieses Ziels eingesetzten Mittel waren zahlreich, änderten sich im Laufe der Zeit und spiegelten die politische Organisation des Dritten Reichs wieder, in dem verschiedene Machtzentren, jedes mit seinen Zielen und Mitteln, untereinander in Konflikt standen.
Verwirrung, Improvisation und die Schwierigkeit langfristig zu planen, kennzeichneten auch die Ausbeutungspolitik der Arbeiter im besetzten Italien. Schon allein die unklare Position der Italienischen Sozialrepublik, förmlich ein Verbündeter des Dritten Reichs gleichzeitig aber auch Besatzungsgebiet, komplizierte die Lage der Arbeiter. Darüberhinaus verfolgten die zahlreichen italienischen und deutschen Einrichtungen, die der Rekrutierung der Arbeitskraft nachgingen (ob freiwillig oder erzwungen, deportiert oder vor Ort eingesetzt), jede ihre eigene Strategie, was oft zu chaotischen Resultaten führte. Man rekrutierte Freiwillige für den Arbeitsdienst in Deutschland, zusammen mit politischen Deportierten, internierten Militärs, gewöhnlichen Häftlingen, Juden und Jugoslaven, die erst nach Italien und dann ins Reich verschleppt wurden. In Italien wurden sowohl Zwangsarbeiter als auch Freiwillige eingesetzt. Partisanen, Deserteure, Wehrdienstverweigerer und gewöhnliche Kriminelle arbeiteten oft gemeinsam in den entlang der Front improvisierten Baustellen, sowie in der Errichtung und Wiederherstellung von Infrastrukturen und der Trümmerräumung. In widerholten Razzien fing die Wehrmacht Männer aller Altersklassen ein und zwang sie Schützen- und Panzergraben zu bauen. Es ergab sich also insgesamt eine Situation, in der die Bezeichnung “Zwangsarbeiter” und “Deportierte” nicht immer im Stande ist die reale Komplexität der Lage einzelner Arbeiter oder Arbeitergruppen widerzugeben, die genötigt wurden zu den Kriegsanstrengungen NS-Deutschlands und der Italienischen Sozialrepublik beizutragen.
Diese Webseite wendet sich an Schulen und Forscher mit der Absicht Archivmaterial, knappe thematische Zusammenfassungen und individuelle Schicksalswege von Deportierten und Zwangsarbeitern bereitzustellen, um so vollständig wie möglich die außerordentliche Komplexität der Geschichte der Zwangarbeit in Italien im Zeitraum 1943-1945 aufzuzeigen.